Die Weiberschlacht zu Wissinghausen
„Wo die Mädchen noch wilder als die Kühe sind!”
Wenn Frauen sich gegen die Steuern wehren: Die legendäre Weiberschlacht von Wissinghausen bei Medebach ist 250 Jahre her.
Das Stöhnen über zu hohe Steuern ist keine Erscheinung der Gegenwart.
Dies beweist eine Begebenheit, die sich im Jahr 1765 im Sauerland zugetragen hat und in der Weiberschlacht zu Wissinghausen ihren Höhepunkt erlebte.
Über 100 Jahre nach der Teilung der Freigrafschaft Düdinghausen im Jahre 1663 waren die Einwohner noch immer nicht zur Ruhe gekommen. Damals hatte man die Freigrafschaft geteilt: Hillershausen, Eppe und Niederschleidern blieben beim evangelischen Waldeck, während Düdinghausen mit Referinghausen, Oberschledorn, Deifeld/Wissinghausen und Titmaringhausen dem katholischen Kurfürstentum Köln zugesprochen wurde. Abgaben zahlte man aber weiterhin auch an Waldeck . Als nach dem 7-jährigen Krieg (1756-1763) der Wiederaufbau anstand, erinnerte sich auch der Erzbischof von Köln an seine Untertanen im fernen Sauerland. Er erhob Anspruch auf verschiedene Steuern, u.a. für Branntwein, Kaffee und Militärschulden.
Richter spielt eine umstrittene Rolle
Die Einwohner der Grafschaft Düdinghausen jedoch sahen verständlicherweise gar nicht ein, zwei Landesherren steuerpflichtig zu sein. Da das einfache Volk aber weder Schreiben noch Lesen konnte, war man bei jedem Behördengang auf die Hilfe eines Anwaltes angewiesen.
In diesem Fall war das der noch sehr junge Richter Weise aus Medebach. In seiner Unerfahrenheit spielte er eine wichtige, aber auch sehr umstrittene Rolle in der Auseinandersetzung zwischen Volk und Obrigkeit. Mehrmals forderte er, teils unter militärischem Schutz, die Grafschafter erfolglos auf, die Sondersteuern zu zahlen. So entschied sich die Obrigkeit, die Steuern mit Gewalt einzutreiben und setzte am 13. Januar etwa 100 Soldaten in Brilon in Marsch. Über die folgenden Begebenheiten liegen mehrere, verständlicherweise nicht immer übereinstimmende schriftliche Berichte aus der Deifelder Kirchenchronik und den Vernehmungsprotokollen der Festgenommenen vor. Aber auch im Volksmund hat der Vorfall bis in die heutige Zeit überlebt.
So soll der Trupp auf ihrem langen Marsch von Brilon in die Grafschaft ihr nächtliches Lager in Niedersfeld aufgeschlagen haben. Ein Einwohner, gebürtiger Grafschafter, erfuhr, was seinem Heimatort bevorstand und soll sich sofort nächtens mit seinem Pferd in Richtung Heimat aufgemacht haben um die Bevölkerung zu warnen. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht von der bevorstehenden Gefahr und alle Männer bewaffneten sich daraufhin mit allem, was Hof und Haushalt hergab, wie Heuforken und Mistgreipen. Auch die Weiber sollen Dreschflegel geschwungen haben und der 18-jährige Johannes Sauerwald aus Gläsekes in Deifeld schlug eine kleine Trommel im Takt.
Als nun die Soldaten vor Wissinghausen ankamen, erkannten sie nur hochragende, sich bewegende Stangen und hörten lautes Geschrei und das vermeintliche Schlagen einer Militärtrommel aus dem Nebel.
Ein Tumult, Schüsse, Verletzte und eine Tote
Der kölnische Kompanieführer, Hauptmann Meunier, ließ wohl einige Warnschüsse abgeben und nahm mit einem kleinen Erkundungstrupp Verbindung mit den Bauern auf. Diese beharrten jedoch auf ihrem Standpunkt. Die Soldaten nahmen daraufhin Johann Jakob Gerbracht, einen „betagten Mann“ aus Deifeld fest. Dies alles ist wahrscheinlich nicht ganz lautlos vonstatten gegangen. Als die Frauen in den hinteren Reihen dies mitbekamen, schritten sie kurz entschlossen tatkräftig ein und attackierten die Soldaten. Denn wo eine echte Sauerländerin keinen Spaß versteht – ist, wenn´s ihrem Mann an den Kragen geht. Die Bauern sollen dann angeblich „Schützen vor!“ gerufen haben. Aufgrund der schlechten Sichtverhältnisse entstand ein Tumult und es fielen plötzlich Schüsse. Maria M. Hesse aus “Görs“ in Referinghausen und Anna E. Völlmecke aus “Mülldiekes“ in Deifeld wurden getroffen.
Die 18-jährige Johanna Über aus “Spielmanns“ in Düdinghausen, die als Magd bei “Greten“ in Referinghausen arbeitete, wurde “ mit einem Schwert durchbohrt und an der Rechten schwer verwundet. Sie entschlief nach dem Empfang der notwendigen Sakramete der katholischen Kirche für Gesetz und Freiheit der Heimat und wurde am folgenden Tag in gewohnter Weise auf dem Friedhof in Deifeld beigesetzt“, notierte Pfarrer Birkenhauer in der Deifelder Kirchenchronik.
Hauptmann Meunier ließ seine Soldaten nun weiter vorrücken und nahm fünf Männer, die sich zu Verhandlungen bereit erklärt hatten, als Rädelsführer fest. Einer entkam auf dem Weg ins Zuchthaus nach Münster, die Anderen blieben drei Monate in Haft.
Aber auch dieser tragische Vorfall, der später als “Weiberschlacht“ von Wissinghausen in die Geschichte eingehen sollte, hielt die Grafschafter nicht davon ab, die Zahlung der Sondersteuer zu verweigern.
Nach weiteren sieben Monaten wurden dann 600 Soldaten in die Grafschaft geschickt um die Abgaben einzutreiben. Sie hausten mehrere Tage in den Orten und mussten mit Lebensmitteln versorgt werden. Viele Höfe verschuldeten sich derart hoch, da sie die Prozesskosten von 3000 Talern aufbringen mussten, dass sie verkauft werden mussten.
Eichen-Stamm erinnert an die nebligen Januartage
Zur Erinnerung wurde später an der Stelle der “Schlacht“ eine Eiche gepflanzt, die leider in den 60er Jahren dem geplanten, aber nie verwirklichtem Straßenbau weichen musste. Noch heute liegt der mächtige Stamm der Weiberschlachtseiche am Ortseingang von Wissinghausen und erinnert an die nebligen Januartage des Jahres 1765.
Auch die Band ZOFF sang 1983 in ihrer Sauerlandhymne: “Sauerland …..wo die Mädchen noch wilder als die Kühe sind…!“ Ob sie da auch an die tapferen, wilden Weiber aus der Grafschaft Düdinghausen gedacht haben?
Text: Claudia Pape Ι Erschienen in: Heimatliebe (10.05.2017)